Liebe Besucher unserer heutigen Mahnwache,

liebe Freunde der Ukraine,

„Wir wollen nur in Frieden leben“, das war die Botschaft, die uns Oleg Vasylyschyn, der Bürgermeister unserer ukrainischen Partnergemeinde Schtschyrez, vor genau einem Jahr übermittelte. „Sagt das bitte allen Menschen bei euch zu Hause“, das waren seine Worte.

Was war passiert? Russland hatte gerade die Ukraine überfallen. Es war mein letzter Amtstag als Bürgermeister dieser Stadt; ein Schock für mich und ein Tag voller Schmerz.

Mein langjähriger Reiseleiter Pawlo rief an. Er sagte: Gebt uns Waffen, Ihr braucht sie ja nicht.

Bürgermeister Oleg Vasylyshyn übermittelte uns eine klare Botschaft: „Wir Ukrainer werden unsere Freiheit verteidigen“.

Er meinte eine Freiheit, die es unter russischer Herrschaft niemals geben würde. Eine Freiheit, für deren Erhalt unsere ukrainischen Freunde jetzt kämpfen und wofür viele Ihr Leben lassen müssen.

Von 500 einberufenen Menschen allein in der 10.000 Einwohner zählenden Gemeinde Schtschyrez sind inzwischen 11 gefallen, 6 vermisst, einer ist in Gefangenschaft, 14 sind verletzt. Putins „Spezialoperation“, die im eigenen Land noch nicht einmal Krieg genannt werden darf, bringt nichts als Leid, Trauer und große Zerstörung.

Als Teil der Sowjetunion hat auch die Ukraine, so wie Georgien, Estland, Litauen, Moldawien, Weissrussland und wie viele andere Länder, jahrzehntelang unter russischer Vorherrschaft gelebt.

In einer russischen Wertegesellschaft zu leben? Das können sich die Ukrainer nicht mehr vorstellen, übrigens auch nicht die sogenannten Russlandversteher hierzulande.

Wir sind heute hier, um für den Frieden in der Ukraine Flagge zu zeigen. Die Menschen in der Ukraine sind friedliebend, vor Ihnen hat niemand Angst und vor Ihnen muss niemand Angst haben.

Bei meinen vielen Reisen in dieses Land, aber auch in die Nachbarländer Moldawien und Polen, und das waren über 20 in den letzten 10 Jahren, habe ich die Ukrainer stets als Freunde der Demokratie und glühende Europäer kennengelernt.

In Putins Welt ist Demokratie dagegen Gift, Gift für Russland; eine Gefahr für das herrschende System.

Das ist der eigentliche Grund, warum die Menschen in der Ukraine von heute auf morgen nicht mehr als Brüder und Schwestern, sondern wie Verbrecher und Nazis behandelt werden. Sie stehen stellvertretend für die verhasste westliche Welt.

Wer nicht für Russland ist, ist ein Feind Russlands und darf oder muss vernichtet werden. Eine solche Philosophie ist Unrecht und Unmenschlich.

Deshalb rufen wir Putins Soldaten zu:

Es reicht, legt endlich die Waffen nieder, geht nach Hause, kehrt zurück zu eurem Mütterchen Russland! 

Die Menschen in der Ukraine ertragen nun schon seit einem Jahr, Tag für Tag, den grausamen Terror, die ständigen Bombardements und Raketenangriffe, leben etwa in den Kellern ihrer zerstörten Häuser ohne Heizung, Strom und Wasser.

Es ist die Hoffnung auf Gerechtigkeit und die Hoffnung auf einen Sieg gegen Russland, die die Menschen in der Ukraine am Leben erhält.

Unseren Freunden in Schtschyrez, in Brody, in Lemberg und in der ganzen Ukraine rufen wir zu:

Wir stehen fest an Eurer Seite, wir lassen Euch nicht alleine!

 

Ihr wisst alle: Der Gudensberger Partnerschaftsverein hat im letzten Jahr  Unglaubliches geleistet. Nicht alleine, sondern mit großer Unterstützung aus vielen Städten und Gemeinden aus der ganzen Bundesrepublik. Darauf dürfen wir alle sehr stolz sein.

Die Hilfe und Solidarität geht weiter, da bin ich mir ganz sicher. Und sie muss auch weitergehen. Sie muss weitergehen, damit die Hoffnung der Menschen nicht stirbt.

Die Feuerwehr Wabern hat erst vor drei Wochen ein Feuerwehrfahrzeug in die westukrainische Gemeinde Zabolotsi überführt. Dabei durfte ich sie begleiten.

Alle Teilnehmer, darunter Bürgermeister Claus Steinmetz, sind mit unvergesslichen  Eindrücken zurückgekommen.

Es ist sehr bedrückend, die Friedhöfe geschmückt mit ukrainischen Fahnen zu sehen, mit Fahnen auf den Gräbern der gerade erst gefallenen Soldaten aus den Dörfern.

Wir haben gespürt, wie es ist, wenn Luftalarm auf dem Handy angezeigt wird und wenn ab 24 Uhr die Sperrstunde greift.

Wir haben gespürt, wie es ist, wenn man militärische Kontrollpunkte passiert oder wenn einfach nur in der Raststätte der Strom ausfällt. Ich mag mir nicht vorstellen, welche Bilder uns im Kampfgebiet erwarten würden.

Aber es gibt auch die s c h ö n e n Momente der Hoffnung.

Die Gesichtszüge der Bürgermeisterin Maria etwa, die mit Tränen in den Augen vor uns trat, die ihr Glück über das voll ausgerüstete Feuerwehrfahrzeug nicht fassen konnte.

Und ich erinnere mich gerne an die unglaubliche Gastfreundschaft, die wir dort selbst in solchen Momenten erfahren haben.

Heute sind viele Bürger aus unterschiedlichen Orten unserer Region nach Gudensberg gekommen. Deshalb möchte ich an die Adresse unserer Städte und Gemeinden appellieren:

Haben Sie Mut zu neuen Städtefreundschaften und Projektpartnerschaften, so wie sie Bundespräsident Steinmeier angeregt hat.

 

Das Interesse der ukrainischen Städte und Gemeinden ist riesengroß. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, in dessen Auftrag ich hier spreche, wird Sie dabei finanziell, schnell und unbürokratisch unterstützen.

Helfen Sie den ukrainischen Städten und Gemeinden. Sie brauchen  unsere Unterstützung jetzt, aber auch für den Aufbau einer neuen Zukunft in einer friedlicheren Welt.

Dem Gudensberger Partnerschaftsverein, den vielen Helfern, möchte ich für das außergewöhnliche Engagement für die Menschen in der Ukraine ganz herzlich Danke sagen. 

Djakuju!

Slava Ukraini!